Lieber einmal mehr den Mund halten

Was Firmen ihren Mitarbeitern im Umgang mit der Presse so raten – und geraten haben / 26 etwas ältere aber immer noch interessante Regeln

Risiken vermeiden, leidenschaftlich sein, PR-Abteilung informieren, nicht Verplappern am Ende des Interviews: In nahezu jedem größeren Unternehmen gibt es Regeln für Mitarbeiter, wie sie sich im Umgang mit der Presse verhalten sollten. Dumm nur, wenn solche Guidelines einen ganz wichtigen Punkt nicht enthalten – den Hinweis, diese nicht nach einem Interview liegen zu lassen.

oppel

Recherchescout-Mitgründer Kai Oppel entdeckte bei der Entrümplung seines Schreibtisch einen kleinen Schatz, der interessante Einblicke gewährt: die Richtlinien zum Umgang mit Medien von IBM.

Recherchescout-Mitgründer Kai Oppel fand bei der Entrümplung seiner Schreibtischschublade die Richtlinien zum Umgang mit Medien von IBM.

Oppel: „Sie stammen aus Zeiten, als es die Financial Times Deutschland noch gab, für deren Beilagenredaktion ich damals geschrieben hatte. Sie lassen den Schluss zu, dass ich diese Schublade schon länger nicht entrümpelt hatte. Jedenfalls hatte damals ein Kollege einen IBM-Mitarbeiter interviewt, der eben diesen Zettel hat liegen lassen, was naturgemäß ziemlich schnell die Runde machte.“

Wirklich geheim und unbekannt sind die Regeln für die meisten Journalisten im Jahr 2016 natürlich nicht mehr. Wir finden die Ratschläge dennoch spannend genug, um sie noch einmal zum Besten zu geben.

Zudem freuen wir uns auf eine rege Diskussion via Twitter #Howtospeak und hier im Blog: Welche Regeln fehlen in Zeiten der sozialen Medien? Welche Taktik von PR-Leuten enttarnen Sie sofort? Was würden Sie PR-Managern im Umgang mit Journalisten raten? Welche Regeln würden Sie unterschreiben?

Gebote

  1. Allgemeine Regel: Sprich niemals mit Journalisten, ohne die Unternehmenskommunikation im Voraus einzubinden.
  2. Vermeide Überraschungen – Schaffe keine ungeplanten Neuigkeiten.
  3. Sprich nicht über zukünftige Geschäfte (weder Einnahmen, noch über Profit, noch über Einheiten…).
  4. Mache keine Aussagen zur Profitabilität.
  5. Brich keine Einnahmesituationen auf einzelne Geschäftsbereiche herunter.
  6. Attackiere nicht den Wettbewerb.
  7. Kritisiere niemals eine andere Abteilung.
  8. Führe niemals Interviews mit Leitmedien (wie WSJ, FT, Business Week, Tims, IHT) ohne im Voraus die PR-Abteilung eingebunden zu haben.
  9. Wir beteiligen uns nicht an Gemunkel und Gerüchten und äußern uns niemals zu laufenden Verhandlungen.
  10. Führe keine Interviews ohne einen PR-Profi an deiner Seite.

IBM Guidelines

Vermeide unnötige Risiken

  1. Lasse lieber eine Interviewgelegenheit entgehen, als unvorbereitet zu sprechen.
  2. Versprich nicht mehr als du halten kannst.
  3. Besetze keine neuen strategischen Themen ohne vorherige interne Abstimmung.
  4. Glaube nicht, wenn dir der Journalist Vertraulichkeit zusichert – ohne dass er dies unterschreibt.
  5. Beantworte besser keine Fragen zu Themen und Abteilungen, die nicht dein Thema sind.
  6. Fühle dich nicht verpflichtet, Fragen zu beantworten, die du nicht beantworten kannst.
  7. Verweise den Journalisten im Zweifel besser an jemand anderen, der die Frage beantworten kann.
  8. Äußere keine Vermutungen oder Spekulationen: Der Journalist könnte dies für bare Münze nehmen.
  9. Wenn du eine persönliche Meinung äußerst: Sage es ganz klar und gehe sicher, dass es der Reporter nicht für die Meinung der Firma hält. Journalisten tendieren dazu, so etwas zu vermischen.
  10. Wenn der Reporter das Interview beendet und das Aufnahmegerät ausschaltet und dann fragt, ob es noch etwas zu sagen gibt, dann ist das der Moment, an dem du besonders vorsichtig sein musst. Was du jetzt sagst, wird im Nachhinein das Wichtigste für den Journalisten sein, und als Aufmacher dienen.

Mache das Beste draus

  1. Sei leidenschaftlich in dem was du sagst.
  2. Sei ehrlich und nett, niemals arrogant oder launisch – selbst wenn der Journalist so drauf sein sollte. Es könnte eine Taktik sein.
  3. Zeige Persönlichkeit, indem du persönliche Erfahrungen teilst. Nichts ist glaubwürdiger und unanfechtbarer als persönliche Erfahrungen.
  4. Sei themenbezogen.
  5. Die meisten Leute bleiben Menschen, selbst wenn sie über Technik sprechen. Die Leute lieben praktische Erfahrungen, Geschichten, Vergleiche, Bilder, zu denen sie einen Bezug herstellen können. Schnödes Technikgequatsche macht keinen sonderlich an. Die menschliche Aufmerksamkeitsspanne ist kurz.
  6. Es ist wichtiger, die drei wichtigsten Punkte verständlich rüberzubringen als nur annähernd zu versuchen, alles allumfänglich darzustellen.

Ein Gedanke zu „Lieber einmal mehr den Mund halten

Kommentieren Sie den Artikel

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.