Facebook Newswire ist nach der bedingungslosen Google-Recherche oder Tame ein weiterer Schritt, mit dessen Nutzung sich Journalisten ihrer Daseinsberechtigung berauben werden. Auch die Medienmarken selbst sind in Gefahr.
Ähnlich wie Tame bei Twitter für das jeweilige Profil meistgeteilte Inhalte ermittelt, will Facebook Newswire relevanten Content bündeln, der auf Facebook geteilt wird. Über die Relevanz soll neben einer Redaktion vor allem die Reichweite entscheiden – sprich was gefällt.
Mit dieser Art der Nachrichtenauswahl befeuert sich abermals ein System eigens erschaffener Informationen von selbst, das am Ende vor allem Nahrung für Google und Co. liefert. Die Versuchung für Journalisten und Redakteure wird groß sein, auf solche Inhalte zuzugreifen. Schließlich gelten sie als Katalysator für die eigene Quote im Kampf um Ranking und Reichweite.
Keine Frage: Die durch soziale Medien geschaffene Vielfalt wird natürlich dann und wann auch sonst unentdeckte Inhalte zu Tage fördern, die Rezipienten informieren, unterhalten oder aufklären. Ein Gros des Contents jedoch wird gefühlsduseliges und verflacht zubereitetes Unterhaltungsfutter sein, das niedere Konsuminstinkte befriedigt.
Wenn klassische Medien nicht weiter an Reichweite verlieren wollen, müssen sie auf sich setzen – und nicht auf halbautomatische Newsfabriken. Dazu zählt, Informationen fernab von scheinbaren Trends auszumachen und bei der Recherche auf Qualität und neue Quellen zu setzen. Wer als Redakteur stets bei Google sucht, wird dort nur Informationen finden, die Google nach einem perfiden und kontrollierten System zulässt. Ähnlich verhält es sich mit der Informationsquelle Facebook. Insofern glaube ich fest an neue Instrumente wie Recherchescout, die Journalisten und PR-Kommunikatoren über Schlagworte und Expertise zusammenbringen. Selbst wenn der so initiierte Kommunikationsfluss interessengesteuert ist, so darf der Redakteur zunächst erst einmal wieder Fragen stellen. Fragen, auf die individuelle Antworten erst gegeben werden. Der Beginn eines aktiven Dialoges.
Journalisten und Redakteure tun gut daran, wieder das Heft in die Hand zu nehmen und ihrer Funktion als Gatekeeper gerecht zu werden. Statt auf Fangnetze für Nachrichten müssen sie wieder auf Intellekt, investigatives Gespür und persönlichen Weitblick setzen. Im Kern geht es darum, dass sie sich bewusst werden, weshalb ihre Medienmarken von den Konsumenten geschätzt werden. Dass Flaggschiffe wie Süddeutsche Zeitung, Zeit oder Arte Fans haben, beweisen sie selbst bei Facebook eindrucksvoll. Wer genauer hinsieht, wird sogar feststellen, dass sich viele Fans durch ihr Outing zum Fan selbst ein Image geben wollen, dass im Kern den (Medien)-Marken innewohnt. Denn: Ein aus dem Feuilleton der SZ geteilter Inhalt besitzt zweifelsfrei ein anderes Karma als eine geteilte Nachricht aus der Lokalzeitung. Schaut her, ich lese SZ und Zeit, also bin ich gescheit!
Medienmarken können von anderen Marken lernen, was diese zur Marke und einen Fan zum Fan macht. Ein Fan möchte aufblicken. Er sucht Halt. Er verspricht sich von ihr Orientierung. Eine Marke ist nicht selten unerreichbar. Ein Fan erhält von der Marke etwas, was er selbst nicht schaffen kann. Was passiert, wenn Fans selbst die Marke maßgeblich mitprägen, indem sie beispielsweise über die Inhaltsauswahl entscheiden, lässt sich leicht vorhersagen. Die Marke verliert ihre Bedeutung und Strahlkraft. Eine Marke, die von Fans gemacht wird, ist wie ein Mann, der im Laufe einer Beziehung von seiner Frau nach ihren Wünschen zurechtgebogen wird. Er verliert an Attraktivität und Wert.